Investitionen in Russland | Auf den internationalen Finanzmärkten sind russische Aktien und Wertpapiere durch die gegenwärtigen Sanktionen auf Ramschniveau gesunken. Doch was den Druck auf Präsident Wladimir Putin erhöhen sollte, bringt nun für internationale Investoren ziemlich unangenehme Nebenwirkungen. Experten sehen Russlands Schuldendienst so akut gefährdet, das ein Staatsbankrott droht. Und das trotz voller Kassen in Russland. Es wäre die zweite Staatspleite nach 1998 – auch wenn diesmal vieles anders ist.
Viele Wirtschaftsexperten halten eine Staatsschuldenpleite Russlands in den kommenden Monaten für sehr wahrscheinlich, weil das Land seine Schulden bei internationalen Gläubigern nicht mehr bedient. Unter einem Zahlungsausfall leiden auch deutsche Investoren. Die russische Zentralbank hat bereits drastische Einschränkungen für den internationalen Devisenhandel verkündet.
Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge hat Russland knapp 50 Milliarden Dollar an Staatsanleihen in Dollar und Euro offen. Am 16. März standen zudem Zinszahlungen von 100 Millionen Dollar an. Am 4. April läuft eine weitere Anleihe über 2 Milliarden Dollar aus. „Wir sehen einen Zahlungsausfall als wahrscheinlichstes Szenario“, schrieb die US-Investmentbank Morgan Stanley an seine Klienten. Es wäre ein positiver Schock – wenn Russland sich die Mühe machen würde, ihren Zahlungen später nachzukommen.
Kreditwürdigkeit im Ramschbereich
Auch die großen Ratingagenturen machen Anlegern wenig Hoffnung. Fitch, Moody’s und S&P sehen Russlands Kreditwürdigkeit inzwischen im Ramschbereich. Fitch warnte bereits vor einem unmittelbar drohenden Zahlungsausfall. S&P senkte die Bonitätsnote um acht Stufen – bis knapp über die Kategorie für Zahlungsunfähigkeit. Das weckt Erinnerungen an 1998.
Diesmal unterscheidet sich die Situation aber in wesentlichen Punkten. Die Ausgangslage ist völlig anders. Damals hatte Russland hohe Staatsschulden und geringe Devisenreserven. Zudem war der Rubel noch an den Dollar gekoppelt, so dass die Zentralbank den Wechselkurs verteidigen musste. Im Zuge der Asienkrise kombiniert mit fallenden Ölpreisen entpuppte sich dies damals als hoffnungslos. Heute ist Russlands Staatskasse dank hoher Öl- und Gaspreise prall gefüllt. Durch die Sanktionen wurde ein Großteil von Russlands üppigen Zentralbankreserven über rund 640 Milliarden Dollar nur eingefroren. Es ist also im Prinzip vorhanden.
Investitionen in Russland – Der Westen ist Schuld
Die Hauptursache für das erhöhte Risiko eines Zahlungsausfalls nicht also diesmal nicht Geldnot, sondern es sind die Folgen der Sanktionen durch den Westen. Dadurch wurden die Möglichkeiten der Russischen Zentralbank stark eingeschränkt. Selbst wenn Russland zahlen würde, wäre deshalb ungewiss, ob Gläubiger im Ausland überhaupt an ihr Geld kommen.
Ein weiteres Problem für internationale Investoren: Kreditausfallversicherungen greifen bei vielen Anleihen womöglich nicht, weil Russland die Schulden in Rubel begleichen könnte, das Geld aber nicht ins Ausland transferiert werden kann. Ein solches Szenario ist in kaum einer Versicherungspolice hinterlegt.
Viele Wertpapierprospekte für russischen Anleihen zeigen verrückteste Klauseln oder es fehlen sehr wichtige Klauseln. Anders als bei üblichen Staatsschuldverschreibungen enthielten die meisten Anleihen für den Fall von Zahlungsausfällen keine Klausel zum Verzicht auf staatliche Immunität. So ist unklar, wie und wo die Regierung vor Gericht gebracht werden könnte. Es gibt bei vielen russischen Anleihen überhaupt keinen Schutz für Gläubiger.
Der Rubel rollt … nicht mehr
Für einen Euro bekam man noch vor einem Monat 85 Rubel. Heute sind es stattliche 167. Der Wert des Rubels hat sich also halbiert. Wie weit wird der Rubel noch sinken? Das hängt im wesentlichen von den internationalen Rohstoffpreisen ab – ganz besonders von Erdöl und Erdgas. Denn Russland hat nichts ausser Rohstoffe. Der Rubel hat aufgrund uneingeschränkter Rohstoff-Exporte zu den Giganten China und Indien noch immer einen gewissen Rückhalt. Beide Länder wickeln ihre Geschäfte jetzt ganz pragmatisch auf Rubel-Basis ab. Und wenn andere große Erdöl- und Erdgasexporteure nicht ihre Fördermengen erhöhen, dann pegelt sich der Weltmarktpreis für russische Rohstoff-Exporte langfristig auf dem aktuell hohen Niveau ein. Das wäre gut für den Rubel.
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2020 erreichte der Preis für russisches Öl aus dem Ural noch rund 63 Dollar je Barrel. Davor war er mal auf rund 14 Dollar abgestürzt. Das war Ende 2019 bis Anfang April 2020. Bis zum Jahresende 2020 erholte er sich dann aber wieder auf rund 50 Dollar. Im Jahresdurchschnitt 2020 war er nach Angaben des russischen Finanzministeriums mit 42 Dollar aber rund 34 Prozent niedriger als 2019. Bedeutet: Bereits vor dem Ukraine-Krieg musste die russische Wirtschaft ihren Gürtel enger schnallen.
Des einen Leid ist des anderen Freud‘
Die gesamtwirtschaftlichen Folgen des Preisrückgangs zeigten sich damals vor allem in der Leistungsbilanz und im Staatshaushalt. Der Überschuss in der Leistungsbilanz halbierte sich 2020 auf rund 33 Milliarden Dollar. Die Einnahmen im Föderalhaushalt aus dem Öl- und Gasbereich verringerten sich gegenüber 2019 um rund 34 Prozent. Die Ausfuhrerlöse im Erdgasgeschäft fielen ähnlich stark wie im Ölbereich. Insgesamt waren sie rund 36 Prozent niedriger.
Lange Rede kurzer Sinn: Russland ist ökonomisch angeschossen. Ein Todesstoß könnte aus dem Nahen Osten kommen – zum Leidwesen der um ihr Geld fürchtenden internationalen Investoren. Die saudische «Erdölwaffe» könnte für den Westen im Kampf mit Putin ein sehr wirksames Mittel werden. Aber noch hält Saudi-Arabien an seinen Fördermengen fest. Dabei wären Produktionssteigerungen in Saudi-Arabien für den Westen momentan ein eleganter Ausweg aus der selbst auferlegten Enthaltsamkeit. Mögliche Alternativen wären auch, mehr Erdöl aus Venezuela oder aus dem Iran zu kaufen. Aber kein anderes Land der Welt kann seine Fördermengen derart schnell und signifikant steigern wie Saudi Arabien.
Der Ausgang dieser brutal klingenden Geschichte ist noch ungewiss. Gewiss ist nur, dass Investitionen in Russland auf Ramschniveau bleiben werden und dass Käufer russischer Staatsanleihen mittlerweile die Opferrollen in einem Horror-Movie spielen, während der Rest der Welt Cornflakes isst und zuschaut.
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