Kein Vermögensaufbau bei Deutschlands Jugend

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Kein Vermögensaufbau mehr bei Deutschlands Jugend

Vermögensaufbau bei jungen Menschen in Deutschland findet quasi nicht mehr statt. Warum ist das so? 16,4 Billionen Euro … So hoch ist das gesamte Privatvermögen in Deutschland. Doch diese absolute Zahl sagt wenig über dessen Verteilung in der Gesellschaft aus – und auch nichts im Vergleich zu anderen EU-Staaten. In unserem heutigen Beitrag wagen wir mal einen Vergleich mit dem EU-Mitglied Irland.

Der junge Italiener Giuseppe Giorgio lebt in der irischen Hauptstadt Dublin. Seit sechs Jahren arbeitet er in der „Konditorei Opera“ am Rande der Stadt. Er hat seine Heimat Italien verlassen, um in Irland ein besseres Leben führen zu können. Zitat Giuseppe: „Ich habe viele Jahre in Italien gearbeitet, und hatte dort weder einen Arbeitsvertrag noch soziale Absicherung bekommen. In Irland bekam ich ab dem ersten Tag einen Vertrag und viel Unterstützung von der Regierung. Hier ist es eindeutig besser ist als in Italien.“

Europas Job-Paradies, Irland

Ist Irland ein Paradies in der EU? In Irland bekommen die Menschen mehr Kinder als in Deutschland oder Italien. Irland ist das zweitjüngste Land in der Europäischen Union – mit vielen Jobs und wenigen Hürden für Unternehmensgründungen. Maurizio Bruno – der Chef von Giuseppe – ist ebenfalls Italiener und bereits seit 2006 in Irland. Zitat Maurizio: „Ich habe mein Geschäft in Irland aufgemacht, und es hatte mich damals nur zwei Tage gekostet. In Italien hätte ich mehrere Monate gebraucht für denselben bürokratischen Kram.“ Heute beliefern Giuseppe und Maurizio viele Cafés in Dublin, die dann wiederum die jungen Leute der Tech-Konzerne Apple, Facebook oder Google beköstigen.

Vermögensaufbau

Vor nicht allzu langer Zeit galt Irland noch als Krisenkind in der EU. Heute steht das Land richtig gut da. Aber wo rangiert Deutschland im Vergleich dazu? Ein Blick auf das „Median-Vermögen“ – also die Grenze zwischen der nach Vermögen reicheren Hälfte der Gesellschaft und der ärmeren Hälfte – ist deutlich aussagekräftiger als etwa der klassische Blick auf das Gesamtvermögen eines Landes. 

Belgien spielt ganz vorne mit

Beim Median-Vermögen liegen die Belgier ganz weit oben. Die Iren landen immerhin auf Platz 5. Italien liegt auf Platz 7. Deutschland steht mit 39.000 Euro nur auf Rang 9. Ein Grund: Die Deutschen besitzen wenig Immobilien. 

Vermögensaufbau

All diese Zahlen stammen aus einer Studie der europäischen Stiftung Eurofound und sind vor der Corona-Krise erhoben worden. Seitdem sind Immobilien und Aktien vielerorts im Wert aber deutlich gestiegen. Deren Besitzer sind zwar deutlich reicher geworden, aber sie stellen in Deutschland insgesamt nur eine Minderheit dar.  

Die reale Vermögenssituation junger Menschen spricht eine noch deutliche Sprache: Junge Belgier rangieren erneut ganz weit oben, die jungen Polen findet man auf Platz 5, Irland auf Platz 7, Italien auf der 11. Deutschlands junge Erwachsene landen auf dem 26. und damit vorletzten Platz in der EU, mit 9600 Euro realem Durchschnittsvermögen. Ein Grund dafür könnte sein: Es gibt in Deutschland besonders viele junge Single-Haushalte.

Der Niedriglohnsektor und seine Folgen

Oder sind es fehlende Anreize für einen Vermögensaufbau? Dem Vermögensforscher Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) reicht diese Erklärung nicht. Ein wichtiger Grund sei Grabkas Meinung nach, „dass Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren im europäischen Vergleich hat. Entsprechend können die jungen Erwachsenen keine Vermögen ansparen. Es ist zweitens natürlich auch die in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelte Vermögensbildungspolitik in Deutschland. Es wurden zu wenig Anreize gesetzt, Vermögen gezielt aufzubauen“, so Grabka. 

Zwar sind europäische Vergleiche wegen einer Vielzahl an unterschiedlichen Faktoren wie Lebenshaltungskosten, Steuern, staatliche Zuschüsse, zum Teil auch fehlender Daten – schwierig. Dennoch sind klare Trends erkennbar. So kritisiert Wirtschaftsexperte Grabka vor allem die große Vermögensungleichheit in Deutschland.

Grunderbe statt Grundeinkommen?

Sein Vorschlag, das zu ändern, ist gewagt: Ein Grunderbe als Startkapital. 20.000 Euro Grunderbe für jeden Deutschen zum 21. Geburtstag. Was würden junge Leute Grabkas Meinung nach mit solch einem Startkapital tun? Eine Umfrage ergibt sehr unterschiedliche Antworten. „Viel reisen und das Geld zum Großteil zum Fenster rausschmeißen“, sagen einige. Anderer iin der betreffenden Altersgruppe meinen, sie würden es anlegen.“ Junge Frauen tendierten in ihren Antworten hin zum Anlegen des Geldes für eine Immobilie. 

Zitat Grabka: „Diese 20,000 Euro dürfen die jungen Erben natürlich nicht für reine Konsumzwecke ausgeben, sondern nur zielgerichtet für die Aufnahme eines Studiums, für die Gründung eines Unternehmens oder auch für den Immobilienerwerb, um grundlegend am Anfang des Erwachsenen-Lebens die Startvoraussetzungen zum Vermögensaufbau zu verbessern … Grabkas Vorschlag klingt jedoch ziemlich krampfhaft und verzweifelt.

Vermögensaufbau ist in Irland offenbar einfacher. Hier verdient die junge Generation deutlich mehr als in Italien oder Deutschland. Giuseppe Giorgio will sich schon ziemlich bald den Traum einer eigenen Immobilie erfüllen. Dann soll seine Freundin nachkommen. 

Haus bauen, Familie gründen, Vermögen aufbauen: In Deutschland ist momentan jeder dieser drei Schritte für die meisten jungen Menschen undenkbar.