Renten sinken-Die rund 22 Millionen Rentner in Deutschland können sich auf eine Erhöhung ihrer Bezüge in diesem Jahr einstellen – aber leider nur auf dem Papier …
Nach einer offiziellen Vorankündigung seitens der Bundesregierung sollen die Renten im Juli im Westen um 5,2 Prozent und im Osten um 5,9 Prozent steigen. Zur Erinnerung: 2021 gab es trotz Inflation eine Nullrunde für Senioren, da angeblich wegen der Pandemie eine Erhöhung der Renten nicht machbar erschien. Soweit so gut. Nur hat die ganze Sache einen Riesen-Haken. Und der heisst INFLATION. Satte 7,4 Prozent stehen der Rentenanpassung von 5,2 bzw. 5,9 Prozent gegenüber. Das ergibt laut Adam Ries ein MINUS.
Jeder Dritte bekommt zu wenig Rente
Knapp 2,7 Millionen deutsche Rentner blicken auf mindestens 40 Jahre Arbeitsleben zurück. Aber trotz ihres langen Durchhaltevermögens am Arbeitsplatz bekommen fast 40 Prozent von ihnen weniger als 1200 Euro Rente im Monat. Das ist mehr als jeder Dritte aus der genannten Gruppe. Unter ihnen sind sogar 1,2 Millionen Rentner mit mindestens 45 Versicherungsjahren.
Auffällig sind dabei auch Unterschiede zwischen Ost und West. Im Westen ist es bei mindestens 40 Versicherungsjahren etwa jeder Dritte, der unter 1200 Euro Rente bleibt. Im Osten betrifft es jeden Zweiten aus dieser Gruppe. Die Zahlen entsprechen dem Stand vom 31. Dezember 2020. Zahlen für 2021 gibt es laut Bundesregierung noch nicht.
Harte Arbeit, Renten sinken
Wenn aber 40 Jahre Arbeiten Beitrag-Zahlen nicht mehr vor Altersarmut schützt, haben wir da nicht vielleicht einen Fehler im Rentensystem? Um die Frage zu beantworten: Ja, wir haben da einen Fehler im System – und zwar schon seit sehr sehr langer Zeit. Und eigentlich ist dieser den Politikern bekannt.
Unser Rentensystem funktioniert seit Konrad Adenauer nach einem Umlageverfahren. Die Generation der Beschäftigten zahlt aus ihrem Gehalt Beiträge in eine Rentenkasse ein. Im Gegenzug erhalten sie dafür Anwartschaften für eine spätere eigene Rente. Mit den laufenden Beiträgen der Beschäftigten werden die Renten der Alten bezahlt. Deshalb spricht man auch vom “Generationenvertrag”. Reichen die Beiträge nicht aus, was immer häufiger der Fall ist, schließt der Staat die Lücke mit Steuergeldern – oder eben nicht, wie im vergangenen Jahr.
Bismarck seiner Zeit voraus
Wie war das eigentlich vor Kanzler Adenauers “Umlagesystem”? Grundlegend anders! Da war es nämlich ein lupenreines Deckungssystem. Unter Bismarck wurde 1891 ein Gesetz für Invaliditäts- und Altersversicherung verabschiedet. Die Beiträge in diese Rücklage für Beschäftigte trugen zu gleichen Teilen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zusätzlich gab es noch einen Reichszuschuss. Treuhänder der Rente waren regionale Versicherungsanstalten für Arbeiter, zum Beispiel Landesversicherungsanstalten.
Folgende Leistungen wurden damals festgelegt:
– Übergangsgeld während medizinischer Heilbehandlung
– Altersrente ab dem 70. Lebensjahr
– Invaliditätsrente wenn nötig
So finanzierte sich die Rentenversicherung damals:
Ein Arbeiter mit einem Jahresverdienst zwischen 550 und 850 Mark erhielt jährlich 162 Reichsmark aus der neuen Rentenkasse. Der jährlich einzuzahlende Beitrag eines Arbeiters war so berechnet, dass dieser Betrag für zehn Jahre alle Rentenzahlungen an den Pensionär deckte und darüber hinaus noch etwas Geld für Rücklagen übrig war. Die eigene Rente wurde so zu 100% vom Einzahlenden erarbeitet bzw. gedeckt. Die Landesversicherungsanstalten konnten mit diesem Einzahlungssystem zwischen 1891 und 1914 ein erhebliches Vermögen aufbauen. Mit rund 60.000 Versicherten war im Jahr 1895 Oldenburg die kleinste und mit über einer Million Versicherten Schlesien die größte Renten- und Versicherungsanstalt.
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1918 gab es für die einzahlenden Arbeiter eine Verbesserung: Sie konnten nun bereits ab 65 eine Altersrente beziehen.
Und dann kam der Krieg
“Dank” Hitler verloren die Rentenversicherungen dann 90% ihrer Einlagen. Die Nationalsozialisten zwangen die Versicherungsanstalten, große Teile des Vermögens der Arbeiter in Reichsanleihen für die Kriegsgüterproduktion anzulegen. Zum ersten Mal griff eine Regierung mit klebrigen Fingern nach dem Rentengeld. Es sollte nicht das letzte mal sein. Wir kennen den Ausgang dieser Geschichte. Das Geld wurde im wahrsten Sinne des Wortes verbrannt – in einem komplett sinnlosen Krieg.
So verwundert es nicht, dass fünf Jahre nach dem 2. Weltkrieg eine durchschnittliche monatliche Rente von nur 60 Mark ausgezahlt werden konnte. Dies führte zu einer immer größeren Unzufriedenheit der Rentner. Erschwerend kam hinzu, dass diese Rentner durch den Krieg in vielen Fällen ohne lebende Kinder dastanden. Damals waren 3 bis 4 Kinder pro Familie noch üblich. Und viele Kinder zu haben war eine Art Lebensversicherung für die Eltern im hohen Alter. Eine Rente, die ursprünglich nur als Zuschuss zur traditionellen familiären Sicherung im Alter gedacht war, wurde nun für viele Rentner zur einzigen Einkommensquelle. 60 Mark pro Monat reichten da nicht für den Lebensunterhalt im Nachkriegs-Deutschland.
Die Geburtsstunde der Sozialversicherung
Mit einem Selbstverwaltungsgesetz wurde 1951 der Weg für neue Sozialversicherungsanstalten geebnet. Die Arbeiter begannen wieder artig in die Kasse einzuzahlen. Im Jahr 1957 hatten die Versicherungsanstalten bereits wieder ein ordentliches Plus unterm Strich. Das auf Deckung basierende System kam wieder in Fahrt. Allerdings stiegen die ausgezahlten monatlichen Renten nicht wirklich zur Zufriedenheit der existierenden Senioren. Das sollte sich mit einer Rentenreform ändern.
Die Reform von 1957 war zweifellos ein Meilenstein in der Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie ließ die damaligen monatlichen Rentenauszahlungen um satte 60% steigen. Aber wir alle wissen: Nichts ist umsonst im Leben.
Der Generationenvertrag
Zur Finanzierung der höheren Renten führte die Adenauer-Regierung ein auf Umlage basierendes System ein: die aktuellen Beitragszahler finanzieren die laufenden Renten. Zum ersten Mal sprach man öffentlich vom sogenannten Generationenvertrag, der mit emotional mächtigen Worten die Verantwortung der jungen Generationen für die Alten betont. Mit diesem Schachzug bekam Adenauer seine Finger an das bis 1957 neu angesparte Vermögen der Versicherungsanstalten. Er gab es aus für den Aufbau der Bundeswehr. Und die Bundeswehr – das ist sicherlich jedem klar – zahlt das in sie investierte Geld nicht zurück. Im Gegenteil. Sie hört nie auf, noch mehr Geld zu kosten.
An diesem Generations-Prinzip hat sich seit 1957 nichts mehr geändert. Wohl aber am Verhältnis der Generationen zueinander – am Kräfteverhältnis zwischen Beitragzahlern und Rentnern. Erste werden immer weniger. Zweite werden immer mehr, und sie leben auch länger als noch vor 100 oder vor 50 Jahren.
Zwei Arbeitnehmer zahlen die Rente eines Senioren
Den Adenauer juckt das nicht mehr. Er konnte sich kurz nach dem 2. Weltkrieg noch darauf verlassen, dass die deutsche Bevölkerung spürbar wachsen und sein Umlageverfahren kurz- und mittelfristig funktionieren wird.
Das ist heute leider nicht mehr der Fall. Heute zahlen knapp 50 Millionen Erwerbstätige die Renten für mehr als 22 Millionen Pensionäre. Zwei Arbeitnehmer zahlen die Rente eines Senioren. 1962 war das Verhältnis noch 6 zu 1, und 1990 war es immerhin noch 3 zu 1. In einer Dekade wird es bei 1 zu 1 liegen.
Die Renten werden inflationsbereinigt weiter sinken. Das ist sicher.
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